intifada: Was sagen Sie zum Ausgang des Referendums?
Ridvan Kaya: Wir sind mit dem Ergebnis durchaus zufrieden. Es ist ein deutlicher Schlag gegen die kemalistische bürokratische Oligarchie. Aber die Sache hat auch einen persönlichen Aspekt. Mein Name befand sich auf einer Liste der überführten Putschisten. Da kann ich nur jedes Interesse an der Unterminierung des Militarismus haben.
intifada: Welche realen Veränderungen wird das Ja bringen?
Kaya: Der wichtigste Punkt ist die Änderung des Modus der Postenvergabe bei den Richtern. In den letzten Jahren nahmen die Höchstrichter zunehmend die Rolle der faschistischen Generäle ein. Für sie ist die Politik der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) konterrevolutionär und muss gestoppt werden. Sie werden von Tag zu Tag intoleranter. Vergangenen Monat wurde unsere Vereinigung von sechs Höchstrichtern wegen einer politischen Erklärung angezeigt. Bald stehen also auch wir vor Gericht.
intifada: Steht die islamische Bewegung geschlossen hinter der AKP?
Kaya: In den islamischen Kreisen gab es heftige Diskussionen. Einige meinten, dass wir als Moslems niemals Verfassungsänderungen unterstützen könnten, selbst wenn sie zu unseren Gunsten wären. Es wäre eine Falle, mit der die AKP uns auf lange Sicht in das System integrieren würde. Daher boykottierten sie die Abstimmung. Aber die meisten Islamisten stimmten mit Ja, leider ohne irgendeine politische Erklärung oder weiterführende Ideen.
Wir hingegen machten klar, dass wir die Verfassungsänderung als Schritt in die richtige Richtung betrachten. Aber wir fügten hinzu, dass wir gegen die Verfassung als ganze, gegen das System sind. Angesichts der Bedrohung durch die Nein-Front der Oligarchie riefen wir jedoch zur aktiven Unterstützung des Prozesses auf. Leider beteiligten sich einige linke Parteien am kemalistischen Chor. Ihre Feindschaft gegen die AKP übertönt die linken Positionen und sie stellen sich damit in die Nähe der Kemalisten.
intifada: Was halten die vom Boykott durch die PKK?
Kaya: Ich glaube, dass war sektiererisch und tat den Völkern der Türkei nichts Gutes. Sie hätten das Referendum gegen die Militärs unterstützen müssen und hätten in der Folge ihre Forderungen gegenüber der Regierung lauter und effektiver erheben können. Der Boykott funktionierte zwar in ihrem Einflussbereich. Aber es gelang ihnen nicht, ihre Basis zu erweitern. Jene, die dennoch stimmten, sagen mit überwiegender Mehrheit Ja.
Unter dem Strich bleibt die AKP und die Positionierung ihr gegenüber die zentrale Frage für alle radikalen Kräfte. Wir sind jedoch für die Zukunft optimistisch.
Das Interview führte Wilhelm Langthaler.