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Das Ende der LTTE
12. Oktober 2009 - Kurt Kolm

Im Mai diesen Jahres vernichtete die Armee Sri Lankas nach eigenen Angaben die Guerilla der Tamilischen Befreiungstiger und tötete ihren Anführer. Damit endete der militärische Befreiungskampf der tamilischen Minderheit gegen ihre Unterdrückung durch die Regierung der singhalesischen Mehrheit in Sri Lanka. Begonnen hatte dieser Kampf vor Jahrzehnten, er forderte Tausende von Opfern. Tragödie dieses Kampfes war es, dass ihm die traditionsreiche singhalesische Linke weitgehend die Solidarität verweigerte. Die brutale militärische Vernichtung der Guerilla-Einheiten ohne Rücksicht auf hohe Verluste unter der tamilischen Zivilbevölkerung im April und Mai dieses Jahres waren den westlichen Medien kaum mehr wert, als den Kommentar, dass wieder eine Schlacht gegen den internationalen Terror gewonnen worden wäre.

Wir veröffentlichen im Folgenden eine Reportage über den tamilischen Befreiungskampf und die alltägliche Unterdrückung der Tamilen in Sri Lanka. Quelle: AG Friedensforschung an der Universität Kassel. (Red.)

Der 25-jährige Bürgerkrieg in Sri Lanka wurde am 20.5.2009 offiziell für beendet erklärt. Die Hoffnung auf eine wirkliche Versöhnung zwischen singhalesischer Mehrheit und tamilischer Minderheit ist jedoch gering, denn auch außerhalb des Kampfgebietes wurden Tamilen auf der Insel bisher verfolgt und diskriminiert. In den vergangenen zwei Monaten wurden durch militärischen Granatenbeschuss und Bombardements über dreitausend tamilische Zivilisten getötet und etwa siebentausend verletzt. In der Zeit von 2002 bis 2006 kontrollierte die LTTE mehr als 15 000 Quadratkilometer im Norden und Osten der Insel.

„Ich bin meines Lebens nicht mehr sicher. Sie werden mich töten, wenn ich nicht tue, was sie von mir verlangen“, so die Aussage eines Tamilen mit Universitätsabschluss. Den ganzen Körper voller Foltermale, ist er froh, dass ihn seine Entführer am Leben gelassen haben. Viele seiner Schicksalgefährten werden nie mehr nach Hause zurückkehren. Und auch er ist gewarnt. Er müsse die srilankische Hauptstadt „innerhalb von Tagen“ verlassen, hat man ihn gewarnt.

Nach Colombo war er 2005 gekommen. Damals hatte er Jaffna verlassen, die Halbinsel an der Nordspitze Sri Lankas. Viele seiner Freunde waren dort von Unbekannten erschossen worden. Seitdem arbeitete er in Colombo in einem Laden, der mit einer tamilischen Partei verbunden war, die paramilitärische Kräfte unterhält. Im April 2008 von der Polizei verhaftet, wurde er ohne Anklage zwei Monate lang festgehalten, mehrfach misshandelt, schließlich jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Polizei warnte ihn: „Du kannst uns nicht entkommen. Wir wissen, wo du arbeitest. Wir werden dich beobachten“.

Sein Leidensweg war damit nicht zu Ende. Der Brief einer unbekannten Gruppe, der ihn trotz Wohnungswechsel erreichte, enthielt eine unmissverständliche Drohung: „Warum bist du nach Colombo gekommen? Verschwinde! Oder du wirst bestraft“. Die Gruppe behauptete, sich um „Verräter“ zu kümmern. Aber er nahm die Drohung zunächst nicht ernst, bis er Ende vergangenen Jahres einen zweiten Brief erhielt. Diesmal setzte man ihm eine letzte Frist für das Verlassen Colombos.

„Eines Tages im Februar kam ich gegen 21 Uhr vom Abendessen. Einige STF-Beamte (Spezialkräfte der Polizei) riefen mich zu sich, stießen mich in einen Wagen und stülpten mir eine Maske übers Gesicht“. Er wurde zehn Stunden lang umhergefahren, zweimal musste er das Auto wechseln. Beim zweiten Mal übergab man ihn Leuten, die perfekt Tamilisch sprachen. Wohl werden in Sri Lanka zwei Sprachen gesprochen, doch nur wenige Einwohner beherrschen beide – Singhalesisch und Tamilisch. Die meisten sprechen ausschließlich ihre Muttersprache.

Der Entführte wurde mit Elektroschocks gefoltert, sein Körper überzog sich mit brennenden Narben. „Ich flehte sie an, mir noch eine Chance zu geben“. Schließlich fuhren die Entführer ihr Opfer in einem Wagen in einen Außenbezirk Colombos und setzten ihn dort aus. Es war früh am Morgen, die Stadt lag noch im Dunkel, er hatte überlebt, doch Colombo sollte er unter Androhung schwerer Strafe verlassen.

Laut „Human Rights Watch“ wurden zwischen 2005 und 2007 mehr als 1500 Menschen als vermisst gemeldet. „Viele Fälle werden nicht gemeldet – aus Angst vor Repressalien“, heißt es. Die Schätzungen der Bürgerkommission gegen Entführungen liegen deshalb weit höher. Sie besagen, dass nur in Colombo und Vororten über vierhundert Menschen vermisst werden, seit die Regierung unter Präsident Mahinda Rajapakse im November 2005 ihr Amt übernahm. Vornehmlich im Norden und Osten seien im gleichen Zeitraum viertausend Menschen entführt worden, die große Mehrzahl waren Tamilen.

Während des Friedensprozesses bis 2005 war den „Befreiungstigern von Tamil Eelam“ erlaubt worden, Büros in Gebieten unter Regierungskontrolle einzurichten. Die Guerillagruppe sollte sich in eine demokratische politische Partei umwandeln. Diese Büros organisierten verschiedene Veranstaltungen, was von der damaligen Regierung und der internationalen Gemeinschaft unterstützt wurde. Die Veranstaltungen wurden gefilmt oder mitgeschnitten. „Wir haben inzwischen festgestellt, dass viele Teilnehmer solcher Veranstaltungen verschwunden sind“, berichtet der Abgeordnete Mario Ganeshan.

Als sich die Gewalt nach 2005 wieder ausbreitete, wurden die LTTE-Büros wieder geschlossen. Die Teilnehmer der Veranstaltungen blieben jedoch zum größten Teil in den von der Regierung kontrollierten Gebieten. Einige zogen nach Colombo, um der Gewalt zu entkommen und Arbeit zu suchen. Aber Colombo ist keine „sichere Zone“, schon gar nicht für Tamilen. Unter dem Vorwand, eine Infiltration der LTTE zu verhindern, zwang die Regierung alle Tamilen in Colombo, egal wie lange sie dort schon ansässig waren, sich bei der Polizei zu melden und die Nummern ihrer Bankkonten preiszugeben. In einem Meldepapier, das an Straßensperren oder bei Razzien vorzuweisen war, wurden die „Gründe für den Aufenthalt“, die „beabsichtigte Aufenthaltsdauer“ und andere Informationen vermerkt. Anzunehmen ist, dass diese Angaben auch den „Entführungseinheiten“ zur Verfügung stehen, die daher wissen, wo sich ihre Opfer aufhalten. Ebenso wird angenommen, dass die Entführer die Informationen benutzen, um von tamilischen Geschäftsleuten Lösegeld zu erpressen.

Ob im Norden oder in den für „sicher“ erklärten Gebieten, ob in den mit Stacheldraht umzäunten Flüchtlingslagern, den von Paramilitärs unsicher gemachten östlichen Provinzen oder in Colombo – nirgends scheint sich die tamilische Minderheit unter menschenwürdigen Bedingungen niederlassen zu können.

Jetzt, da die Regierung die LTTE militärisch besiegt hat, fürchten die Tamilen in Colombo und anderen Teilen des Landes, wo sie in der Minderheit sind, eine noch stärkere Unterdrückung als bisher. „Die Zerschlagung der LTTE bedeutet, dass die politische Lösung, die unbedingt benötigt wird, um den Konflikt zu beenden, in noch weitere Ferne rückt“, erklärt ein Aktivist der Tamilen in Colombo. „Die LTTE ist etwa dreißig Jahre alt. Die Wurzeln des Konflikts auf der Insel reichen sechzig Jahre zurück. Der militärische Weg zur „Lösung“ eines politischen Problems führt nicht zu diesen Wurzeln“, betont ein anderer Aktivist, ein Singhalese. Doch nicht viele seiner Landsleute teilen derzeit seine Meinung. Der Befehlshaber der srilankischen Armee Sarath Fonseka schrieb im September 2008 im kanadischen Magazin „National Post“ vom 23.9.2008 folgendes: „Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Land den Singhalesen gehört. aber es gibt auch Minderheiten bei uns, welche wir genauso behandeln wie unsere Leute. Aber sie dürfen nicht versuchen, unter dem Vorwand eine Minderheit zu sein, unangemessene Dinge einzufordern.“