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Filmkritik: Shamir, Yoav (Regie): Defamation (Hashmatsa), Dokumentation, Dänemark/Israel/USA/Österreich 2009.
28. August 2010 - Elisabeth Lindner-Riegler

Defamation“ ist für den besten europäischen Dokumentarfilm nominiert, wurde in den österreichischen TV-Nachrichten ZiB 2 kurz vorgestellt und auch von Österreich mitfinanziert (Film Institut und ORF).

Kinostart war der 22. Jänner 2010 in nur einem Kino in Wien, dem Künstlerhauskino. Wenn man sich den Film erst in der zweiten Woche anschauen wollte, war die Auswahl noch eingeschränkter – ein Nachmittagstermin (Beginnzeit 16.15) in einem Kino! Hatte man keine Zeitung zur Verfügung sondern nur das Falter-Kinoprogramm im Internet, konnte man glauben, dass der Film gar nicht mehr gezeigt würde – nach nur einer Woche Spielzeit! Nichts stand auf der Seite „Empfehlungen“, wo doch hier sonst jeder Film abseits des Mainstreams empfohlen wird. Auf der Seite „alle Filme“ unter D – nichts. Aber der Filmtitel ist doch „Defamation“, so stand es zumindest in der Tageszeitung Der Standard und im Wochenmagazin Profil. Vorgestellt wurde der Film (steckt ja auch österreichisches Geld drin) und dann wird er nur eine Woche gezeigt? Im Falter-Kinoprogramm findet man ihn dann doch, wenn man unter Hashmatsa nachschaut.

Was hat es mit einem Film auf sich, der von Österreich mitfinanziert wurde und sogar preisverdächtig ist, und dann so versteckt wird? Hat man nicht gewusst, was man da fördert? Wahrscheinlich nicht. Es wurde nämlich ein notwendiger und guter Film produziert, dessen Inhalt in Österreich jedoch politisch gar nicht willkommen ist – und so erklären sich auch die Schwierigkeiten, den Film überhaupt sehen zu können

Der israelische Regisseur Yoav Shamir sagt über seinen Film: „Antisemitismus ist ein mächtiges Wort und die ultimative heilige Kuh der Juden. Auch wenn ich diese Kuh nicht zur Schlachtbank geführt habe, selbst die heiligste Kuh braucht hier und da ein Aufrütteln.“

Um den Antisemitismus heute zu analysieren, begibt sich Yoav Shamir in seinem Dokumentarfilm zu verschiedenen Schauplätzen. In Israel erfährt er, dass der Antisemitismus heute die größte Bedrohung ist – überall in der Welt. Für dieses Bild sorgen die Medien, die wiederum von der Anti-Defamation League mit Sitz in den USA versorgt werden. Für deren führende Persönlichkeit, Abraham Foxman, ist es wie ein Naturgesetz, dass der Antisemitismus heute wie schon immer die größte Bedrohung für alle Juden und nun auch für Israel ist, dass er deshalb immer und überall als solcher aufgezeigt werden muss und dass Antizionismus per se Antisemitismus ist. Foxman macht weltweit PR, um dieses Bedrohungsszenario am Leben zu erhalten. Shamir gelingt es kaum, aus der Fülle der gesammelten Daten der ADL über antisemitische Übergriffe in den USA einen wirklich brauchbaren Fall für den Film aufzutreiben.

Die wohl stärkste Seite des Films, der sonst stellenweise – etwas anklingend an Michael Moores Stil – der beklemmenden Thematik eine gewisse Leichtigkeit durch Humor gibt (was durchaus nicht negativ ist), ist die Begleitung einer Gruppe israelischer Jugendlicher nach Auschwitz, die wie zehntausende andere dieses Programm absolvieren. Hier geht es nicht primär um das Gedenken des Holocaust, es geht um Gehirnwäsche. Mit der schon vorher erfolgten Indoktrination, dass die ganze Welt die Juden und damit Israel hasst, dass Antisemitismus ihr Schicksal ist, fahren diese Jugendlichen ins Ausland, begleitet von Sicherheitspersonal, damit es nicht zu antisemitischen Übergriffen kommt. Der Film zeigt hier eindrücklich, wie eine Phobie – alle hassen uns – erzeugt wird, die katastrophale Folgen hat: ein Israel, das den Palästinensern das Menschenrecht abspricht, das dabei internationale Duldung und Unterstützung bekommt und seine Kinder so indoktriniert, dass die glauben müssen, das sei gut so, damit sie überleben können.

Yoav Shamir begegnet seinen Protagonisten mit Respekt, seien es die israelischen Jugendlichen oder Abraham Foxman, lässt sie alle für sich sprechen und den Zuseher selbst urteilen. Dass ihm das bei Norman Finkelstein nicht gelungen ist, ist schade, denn auch er hätte ein Gespräch auf Augenhöhe verdient.

Insgesamt hat Shamir mit diesem Film an der „ultimativ heiligen Kuh der Juden“ (Zitat; siehe oben) ordentlich gerüttelt und passt deshalb so gar nicht in die offizielle oder auch alternative Kinolandschaft Österreichs.