Die Mission führte in die südöstlichen Gliedstaaten Chhattisgarh, Jharkhand, Andhra Pradesh und Westbengalen. Höhepunkt war ein Besuch in Dantewada im Süden Chhattisgarhs, das von den indigenen Rebellen kontrolliert wird. Das geschah auf Einladung der lokalen Organisation Tudum Debba (Adivasi Drum). Wir wurden dabei von Rechtsanwälten des Andhra Pradesh Civil Liberties Committee (APCLC) begleitet.
Im Jeep passieren wir die Grenze zwischen Andhra Pradesh und Chhattisgarh in den Distrikt Dantewada. Es ist einer der ärmsten der gesamten indischen Union, was leicht an den sozialen Indikatoren wie Analphabetenrate, Kindersterblichkeit, Lebenserwartung usw. abgelesen werden kann. Aber es reicht schon das wache Auge des ortsunkundigen Besuchers. Zunehmend werden die Straßen schlechter, bis der Asphalt und dann schließlich die Schotterung verschwinden. Unsere Begleiter weisen uns auf ein zerstörtes Gebäude am Straßenrand hin. „Eine ehemalige Polizeistation, die von den Maoisten gesprengt wurde. Hiermit endet die Kontrolle des Staates.“
Bereits zuvor waren uns am Straßenrand handschriftliche Flugblätter aufgefallen, die mit Holznägeln angeschlagen worden waren. Sie forderten ein Ende der Operation „Green Hunt“, des Krieges des indischen Staates gegen seine Ureinwohner (Adivasi).
Widerstand – wogegen?
Der indische Premierminister Manmohan Singh bezeichnet den Aufstand als größte innere Bedrohung für den Staat. Ganz nach amerikanischem Vorbild fällt dieser unter die Terrorismusdefinition des Staates und wird selbstverständlich mit harter Hand bekämpft. Gerne spricht man über Linksextremismus und Maoismus, sehr selten hört man indes, dass es Adivasi sind, die diesen Aufstand führen und dass sie an bestimmten Orten die große Mehrheit der lokalen Urbevölkerung vereinigen. Es sind die Ärmsten der Armen, die da zu den Waffen greifen. Warum?
Der Prozess der Zurückdrängung der Adivasi läuft bereits Jahrhunderte. Sie konnten sich nur in unzugänglichen und landwirtschaftlich schwer nutzbaren Gebieten halten und ihre teilweise archaische Lebensweise fortsetzen. Sie lebten von der Subsistenz in den Wäldern, zwar in materieller Armut, aber unbehelligt – und konnten so Sprache und mitunter steinzeitlich anmutende Kultur erhalten. Ihr einziger Kontakt mit der Außenwelt waren Händler, oft aus den eigenen Reihen, die gesammelte und gejagte Produkte des Waldes vermarkteten und im Gegenzug einfachste Waren des Alltags käuflich erwerbbar machten. Es handelte sich zwar um Ausbeutung. Und den Adivasi kam der unterste Status in der Gesellschaft zu, gleich den Unberührbaren, den Dalits. Doch niemals gab es dagegen eine politische Bewegung und einen bewaffneten Aufstand des heutigen Ausmaßes.
Zwei Faktoren erklären dies:
Erstens setzte man nach der Wende 1989/91 die neoliberalen Rezepte auch in Indien um. Die Globalisierung schlug zu. Nachdem der indische Südosten sehr reich an Rohstoffen ist, handelt es sich vor allem um Bergbauprojekte und Grundstoffindustrien in drei Bereichen: Gewinnung von Eisenerz und seine Verhüttung, Bauxitabbau und Aluminiumerzeugung, Kalkbergbau und seine Verarbeitung zu Zement. Indischen und internationalen Konzernen werden äußerst günstige Konditionen geboten. Die Auflagen hinsichtlich Umweltschutz sind lächerlich, notwendige Ressourcen wie Wasser können frei genutzt werden, wobei die Interessen der lokalen landwirtschaftliche, Bevölkerung, für die Wasser in jeder Beziehung ausschlaggebend ist, straflos mit Füßen getreten werden. Arbeitskraft ist spottbillig. Die Adivasi, die keine Landwirtschaft betreiben und auch über keine Besitztitel über ihr Land verfügen, wurden nicht einmal als Luft betrachtet. Erst ihr massiver Widerstand gegen die massenhafte Vertreibung und Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen machte sie zu einem Problem für die herrschenden Eliten.
Zweiter Faktor ist die maoistische Durchdringung. Die Maoisten, auch Naxaliten genannt, waren in den 70er und 80er Jahren vor allem eine bäuerliche Bewegung der Dalits. Andhra Pradesh war eine ihrer Bastionen. Doch systematische Verfolgung und Repression trieb sie in die Wälder zu den Adivasi. Dort integrierten sie sich, wurden zum Teil der Stammesgesellschaften und politisierten und modernisierten sie dadurch. Erst ihre Anwesenheit und Organisation ermöglichte den Widerstand und gab ihm einen politischen Ausdruck. Der rücksichtslose Griff der Konzerne auf die Adivasi-Gebiete ab der Jahrtausendwende goss Öl ins Feuer und entfachte den heutigen Brand. Er bescherte den Naxaliten stürmischen Zulauf.
Regierungsmiliz und „Green Hunt“
Von an die hundert Absichtserklärungen mit Großkonzernen wurde – dank des Widerstands – erst ein Bruchteil umgesetzt. Daher ergriff die Regierung eine radikale Gegenmaßnahme. Sie half bei der Bildung einer Bürgerkriegsmiliz, die sich um sozial besser gestellte Schichten der Stämme, vor allem um die Händler und Forstverwalter, gruppierte. Unter dem Namen „Salva Judum“ (unterschiedlich übersetzt als „peace march“ oder auch „purification hunt“) begann eine Kampagne der verbrannten Erde. Tausende Dörfer wurden niedergebrannt. Jeder, der unter Verdacht stand, in der Nähe der Maoisten zu sein, war seines Lebens nicht mehr sicher. Mehrere Hunderttausend Menschen wurden vertrieben und in Regierungslager gepfercht. So sollten gleichzeitig der Widerstand vernichtet und der Weg zur Entwicklung, wie sie von den kapitalistischen Eliten verstanden wird, freigegeben werden.
Doch den Internierten bot sich keine Perspektive. Kein Land, keine Arbeit, keine ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln, keine Schule etc. Zahlreiche Vertriebene kehrten in die Wälder zurück und schlossen sich den Maoisten an. Politisch war „Salva Judum“ letztlich ein Schuss, der nach hinten losging.
Viele der Milizionäre wurden in der Folge in paramilitärische Verbände eingebunden. Polizei und Armee sind zunehmend involviert. Das, was der Staat gerne als Konflikt zwischen den Stämmen oder als Selbstverteidigung gegen den roten Terror dargestellt hätte, muss nun doch offen unter seiner Führung von statten gehen – tituliert: „Grüne Jagd“. Dieser Krieg des indischen Staates gegen seine Ureinwohner dauert mit ähnlichen Methoden wie jenen von Salva Judum bis heute an und intensiviert sich sogar noch.
Keine Schule, dafür aber Malaria
Wir lassen unser Fahrzeug stehen und begeben uns in die Weiler der kleinen Ebene, deren Zentrum bestehend aus einem halben Dutzend Lehmhäusern Maita genannt wird. In Landkarten oder im Internet lassen sich die uns genannten Ortsbezeichnungen nicht wiederfinden. Kommentar der Aktivisten: „Gute Karten sind eine Waffe und stehen daher ausschließlich dem Militär zur Verfügung.“
Überall gibt es zahlreiche Kinder, die auch am Vormittag nicht in die Schule gehen. Im Gespräch mit den Bewohnern wird klar, dass es hier niemals ein funktionierendes Schulwesen gegeben hat. Auch schon früher kam das Lehrpersonal nur ab und an ins Dorf. Jedenfalls zu selten, um Lesen und Schreiben zu vermitteln. Mit der Eskalation des Konflikts stellte man auch diese Rudimente des Schulwesens ein. Man zeigt uns die zerstörte Schule: „Sie hat den Paramilitärs als Stützpunkt gedient.“ Am darauffolgenden Tag besuchen wir ein Internat, wohlgemerkt bereits auf dem Territorium Andhra Pradeshs. Es sind die einzigen Orte, an denen Adivasi-Kinder aus den Konfliktzonen tatsächlich eine seriöse Schulbildung erhalten. Laut dem Direktor werden nur 2-3% der Kinder durch solche Internate, wo gratis ausgespeist wird, erfasst. Kein Wunder, dass Dantewada zu den Bezirken mit dem höchsten Analphabetismus ganz Indiens gehört.
Wir haben zwei Rucksäcke voll einfacher Medikamente mitgebracht, preisgünstige indische Generika. Vor allem gegen Malaria, dann noch Antibiotika, Verbandsmaterial und Ausgleichsstoffe gegen Mangelernährung. Im Gespräch mit den Bewohnern des Weilers Posagudem ist die Diagnose des uns begleitenden Arztes klar: Malaria. Die Krankheit ist allgegenwärtig. Sunam Chendi wird uns als lokaler Schamane vorgestellt. Er führt selbst auch Behandlungen durch. Wir erfahren, dass seine Frau und eine Tochter bereits am Wechselfieber verstarben. Auch er ist offensichtlich erkrankt. In Posagudem scheint es die Mehrheit der mutmaßlich zwei Dutzend Bewohner erwischt zu haben. Unser Arzt verteilt Malariamedikamente und erklärt mittels Übersetzer die Einnahme.
Im Verlauf unserer Besuche und Gespräche in den Weilern der Umgebung stellt sich heraus, dass die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) präsent ist. Sie kommt einmal pro Woche, erstellt Diagnosen, verschreibt Medikamente und gibt diese auch aus. Jeder Patient erhält einen Handzettel, auf dem sich alle Daten befinden. Wir treffen in der Folge auch auf ein Team von MSF. Die Leiterin erklärt, dass ihre Vereinigung in Absprache mit der Regierung von Chhattisgarh am Rande des gesamten Konfliktgebiets tätig ist. Auch mit den Maoisten gäbe es keine Konflikte. Letztere scheinen MSF zu dulden, jedenfalls an den Randgebieten ihrer Kontrolle.
Nicht Hindu, sondern Koja
Obwohl wir unbehelligt in das Gebiet der Guerilla eintreten konnten, passierte das nicht unbeobachtet – nämlich von beiden Seiten. Bereits an unserem Ausgangspunkt, der Bezirkshauptstadt Bhadrachalam, teilten uns unsere Begleiter mit, dass wir unter Beobachtung der Polizei stünden. Auch die andere Seite war nicht untätig. Nach einiger Zeit tauchten zwei Milizionäre auf, die beide ausschließlich Koja sprachen (Koja is ein Dialekt der kaum verschrifteten Gondi-Sprache, die wiederum zur Familie der drawidischen Sprachen wie Tamil zählt). Die Volksmiliz rekrutiert sich aus der unmittelbaren Umgebung und ist schlechter bewaffnet und weniger professionell als die maoistische Kernguerilla. Beeindruckend ihre Bewaffnung: selbstgebaute Gewehre! Sie nahmen uns Handys, Kameras und vor allem die Autoschlüssel ab. Mit einigen Übersetzungsschwierigkeiten brachten wir unser Anliegen vor. Unsere Begleiter setzten ein kleines Schreiben auf, das an die lokale maoistische Kommandantur gerichtet war. Wir wurden angewiesen zu warten und verbrachten die Nacht im Haus des Dorfvorstehers von Maita.
Am nächsten Tag unternahmen wir einen ausgedehnten Rundgang durch die Ansiedlungen – immer mehr auch mit der Idee, unsere Autoschlüssel zurückzuerhalten. Denn man sagte, dass eine Genehmigung der Adivasi-Guerilla, tiefer in die befreiten Gebiete vorzudringen, Tage dauern könne, die wir nicht zur Verfügung hatten. Die Schlüssel waren tatsächlich einer Vertrauensperson des Dorfes überantwortet worden, so dass wir jederzeit die Rückfahrt antreten konnten.
Bei einem jungen Mann namens Rama Krishna aus Posagudem war uns ein hinduistisches Symbol aufgefallen, das er um den Hals trug. Ich frage ihn, ob er Hindu sei. „Nein Koja!“ war seine sehr bestimmte Antwort. Der uns begleitende Rechtsanwalt Raghunath Verose aus Hyderabad kommentierte: „Die Hindu-Symbole sind nicht Ausdruck einer Identität oder eines Glaubens, sondern mehr zufällig. Sie erhalten sie als Geschenke oder denken, dass sie zum guten Ton in der Umgebungsgesellschaft gehören.“
Insgesamt hatten wir den Eindruck, dass auch in diesem Randgebiet der Konfliktzone die kulturelle Identität der Stammesgesellschaft intakt ist, was sich auch an der durchgängigen Verwendung der eigenen Sprachen ablesen lässt. Die Tatsache, dass wir nächtens einen scheinbar batteriebetriebenen Fernseher hörten, tut dem keinen Abbruch. Unsere Begleiter meinten, dass tiefer in den Wäldern diese Kultur noch viel stärker ausgeprägt sei, teilweise sogar noch mit Polygamie. Die Maoisten würden solchen archaischen Sitten, beispielsweise auch den Verstümmelungen von Frauen, jedoch einen Riegel vorschieben.
Am nächsten Tag besuchten wir einige Dörfer jenseits der Grenze, also bereits in Andhra Pradesh außerhalb des Rebellengebietes. Es handelte sich wahrscheinlich um Flüchtlinge aus der Zeit der großen Vertreibungen durch Salva Judum 2005 und den folgenden Jahren. Der Unterschied zur Stimmung und zum Verhalten zum Vortag war frappierend. Die Menschen vermieden jede politische Äußerung, wollten auch keinen Grund für ihre Migration nennen. Wir konnten nur herausbekommen, dass das Land, auf dem sie lebten, nicht ihnen gehört. Das Dorf Bandigumpu gehört dem Stamm der Gutikoja an, einer Untergruppe der Koja. Sie werden vom indischen Staat als „Primitive Tribal Group“, also noch rückständiger als „Scheduled Tribes“, klassifiziert. Die Aktivisten von Adivasi Drum erklärten uns, dass die Gutikoja von den Koja ausgebeutet und vergleichbar mit einer niedrigeren Kaste behandelt würden. Der Führer von Salva Judum, Mahindra Karma, gehöre den Koja an, während die meisten Gutikoja die Maoisten unterstützten. Die reaktionäre Stammesmiliz würde diese konfliktbehafteten Stammesbeziehungen für ihre Kampagne nutzen.
Unser Arzt behandelte einen Mann, der sich eine Fußverletzung zugezogen hatte, die bereits böse entzündet war. Warum er nicht zu einem Arzt ginge, sonst laufe er Gefahr, dass ihm das Bein abgenommen werden müsse? Die Kosten von 10 Rupien, umgerechnet rund 15 Eurocent, könne er sich nicht leisten. Eine gute Mahlzeit in einem Straßenrestaurant kostet zum Vergleich vielleicht 50 Eurocent. Dass er diese Summe nicht zu mobilisieren in der Lage oder bereit war, ließ uns auf die Apathie des Elends schließen, die auch mit der Entwurzelung in Verbindung gebracht werden mag.
Einige Dutzend Kilometer entfernt besuchten wir noch ein Dorf mit dem Namen Tippapuram. Seine Bewohner deklarierten sich dem Stamm der Kondaredlu zugehörig, ebenfalls der Obergruppe der Koja zuzurechnen, und waren vor einigen Jahren aus dem Inneren Chhattisgarhs geflohen. Auch hier ein ähnliches Bild. Übrigens fanden wir nirgendwo Kinder und Jugendliche vor, die eine Schule besuchen würden.
Fortsetzung der Sumud-Projekte in Indien
Die Diskussionen mit unseren Partnern vor Ort und auch unter uns kreisten um die Frage, wie man in Europa auf die Situation und den Kampf der Adivasi aufmerksam machen könnte, ohne dabei in die neokolonialen Muster der NGOs zurückzufallen. So wie in vielen Ländern der Peripherie werden auch in Indien von den diversen Widerstandsbewegungen die NGOs radikal abgelehnt. In einem abschließenden Gespräch mit der Schriftstellerin Arundhati Roy in Neu Delhi knapp vor unserer Abreise meinte diese, dass die Gelder der NGOs zahlreichen legitimen und starken Widerstandsbewegungen gegen Auswirkungen der Globalisierung die Spitze abgebrochen hätten.
Grundidee von Sumud ist es, sich am Leben der Widerstand leistenden Bevölkerung zu beteiligen, sie damit einerseits zu unterstützen und andererseits aus den gewonnenen Erfahrungen zu lernen. Durch diese Praxis kann die ideologisierte und uniformierte Sicht auf die Welt, wie sie der hiesige Medien- und Bildungsapparat vermittelt, durchbrochen werden. Politischen Druck hier in Europa zu erzeugen, ist letztlich die beste Unterstützung, die man dem Widerstand angedeihen lassen kann.
Von Seiten der verschiedenen Instanzen der Adivasi-Bewegung kam eine klare Aussage: Wir wollen und brauchen Teams von Freiwilligen, die medizinische Hilfe leisten und ihr Wissen weitergeben. Das hat aber nur Sinn innerhalb der befreiten Gebiete, in denen es praktisch keinerlei Versorgung gibt. Es kam aber noch eine weitere Idee auf: In einigen Gebieten unter dauerhafter maoistischer Kontrolle gibt es alternative Entwicklungsmodelle, die auch einen kollektiven Anspruch haben. Auch auf diesem Feld wäre die Mitarbeit von Freiwilligen, vor allem was einfache und ökologische Agrartechnologie betrifft, sehr gefragt. All das erfordert indes eine längere Verweildauer, um sinnvoll zu sein.
Jedenfalls ist hier Großes im Gang. Nicht nur in Indien wird nach Wegen alternativer Entwicklung zur kapitalistischen Globalisierung gesucht. Denn im Gegensatz zu mancher orientalistischen, romantisierenden Vorstellung von Indien wollen die breiten Massen nicht in Armut verbleiben. In Indien sprechen nicht nur die Maoisten, sondern viele Gegner des von der globalen und indischen Oligarchie propagierten Modells von „peoples’ development“ – also einer Entwicklung, die nicht nur den Massen dient, sondern auch von ihnen selbst kontrolliert wird. Das sich vollziehende Experiment der Mao-Adivasi ist dazu ein wichtiger Beitrag und darf nicht unter dem Pauschalvorwurf des Terrorismus ausradiert werden.
Der indische Staat ist jedenfalls nicht zimperlich. Obwohl er sich an die Brust heftet, die größte Demokratie der Welt zu sein, unterdrückt er die Opposition brutal. Auch jene, die lediglich Dissens äußern, sitzen zu Zehntausenden in den Gefängnissen. Letzter prominenter Fall ist jener von Dr. Binayak Sen, einem Armendoktor in den Konfliktgebieten Chhattisgarhs, dem die Unterstützung des Terrorismus vorgeworfen wird. Urteil: lebenslänglich.
Der Autor dieser Zeilen wird wohl das letzte Mal in Indien gewesen sein. Er war 2009 bei einer Blockade des Bauplatzes für ein Stahlwerk des multinationalen Konzerns Posco aufgegriffen worden. Bei der Passkontrolle poppte am Bildschirm des Beamten rot auf: „Prevent this subject from entering India“. Doch da reiste er bereits wieder aus. Die Moral von der Geschicht’: In den Ritzen des Systems gibt es genug Platz für Widerstand. Es geht nun darum, die Spalten weiter zu öffnen.