Der NCB unterstützt den Friedensplan Kofi Annans, denn es gäbe derzeit nicht nur keine bessere Lösung, sondern er sei alternativlos, so Haitham Manna. Wichtigstes Hindernis für demokratische Fortschritte ist ihm zufolge die ausufernde Gewalt, die das Land bereits an den Rand des Bürgerkriegs getrieben hätte. Diese müsse gestoppt werden, erst dann könne sich die Volksbewegung wieder entfalten und entsprechend Druck entwickeln. Dem SNC und den bewaffneten Gruppen wirft Manna vor, den Plan kippen zu wollen. Ihr Ziel sei die Militarisierung, auch um damit eine ausländische Intervention zu provozieren.
Dagegen hält der SNC, dass der NCB nur das Regime schützen wolle, das sich mit tausenden Getöteten als mehr als reformunwillig erwiesen hätte. Es gäbe keine Alternative zu seinem militärischen Sturz.
Mannas Replik: Der bewaffnete Kampf könne unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht gewonnen werden. Er spiele dem Regime sowie extremistischen, vom Golf unterstützten Kräften in die Hände. Vielmehr gehe es darum, einen politischen Prozess in Gang zu setzen. In diesem Gedanken ist die Idee des italienischen Marxisten Gramsci wiederzuerkennen, um Hegemonie zu kämpfen, jene Teile des Volkes und insbesondere der Minderheiten auf die Seite der Revolution zu ziehen, die bisher passiv geblieben sind oder Angst haben. Vom Golf unterstützte bewaffnete Islamisten treiben sie auf die Seite des Regimes, während eine demokratische und einschließende Bewegung auf der Straße sie Schritt für Schritt gewinnen kann.
Zwar sei der Bewegungsspielraum mit dem Annan-Plan etwas größer geworden, doch die unmittelbaren Forderungen nach Freilassung der politischen Gefangenen und einem Ende der blutigen Repression seien noch lange nicht erfüllt. Die Verantwortung dafür liege in erster Linie beim Regime selbst. Die bewaffneten Gruppen dienten jenem indes als willkommene Ausrede für die Repression gegen die demokratische Bewegung.
Haitham Manna spricht sich für Verhandlungen und Dialog mit dem Regime aus, um die Spirale der Gewalt zu unterbrechen. Dabei gehe es nicht darum, Kompromisse zu machen und auf legitime Rechte des Volkes zu verzichten, sondern einen Prozess schrittweiser Änderungen in Gang zu bringen. Dabei setzt er Hoffungen auf den russischen Druck für vorsichtige Reformen, symbolisiert durch den Rückzugs Bashar al-Assads und die Szepter-Übergabe an den Vizepräsidenten oder einen nicht kompromittierten Militär. Damit könnte die Tür zu weiteren demokratischen Reformen aufgestoßen und gleichzeitig den vom Ausland unterstützten extremistischen Kräften der politische Boden entzogen werden. Am Ende sollten freie Wahlen und eine verfassunggebende Versammlung stehen.
„Es geht nicht gegen den Staat, sondern gegen das Regime.“ Auch in Tunesien und Ägypten seien viele Funktionäre geblieben, warum sollten an Syrien andere Kriterien angelegt werden? Laut Manna gibt es viele positive Zeichen aus dem Staatsapparat und der Armee für eine Veränderung. Doch solange die Gewalt andauere, könnten diese nicht zum Vorschein kommen, nicht wirksam werden.
Im Gespräch mit Haitham Manna wird klar, dass dem einzigen Narrativ, das im Westen bekannt ist – dem Narrativ des SNC – in Syrien selbst ein völlig anderes Narrativ gegenübersteht, das eine lebendige linke Opposition repräsentiert, die über feste Verbindungen zur Massenbewegung verfügt. Dass die westliche Medienmaschine daran kein Interesse hat, leuchtet dem kritischen Beobachter leicht ein. Es geht darum, dieser Opposition auch bei uns dauerhaft eine Stimme zu geben.