“Reden und Reden ist zweierlei… Worte können dem Führer lobhudeln, aber Worte können auch die Wahrheit preisen.”
Nihad Siris
Irgendwo in einem arabischen Land: Weil er sich weigert, medienwirksam dem „Großen Führer“ zu huldigen, wird Fathi Schin vom Regime seines totalitär geführten Heimatlandes mit Schreibverbot belegt. Für den Schriftsteller bedeutet das nicht nur den Verlust der Anstellung als Autor bei einem staatlichen Fernsehsender. Literarisch in die Versenkung verbannt, fristet er fortan ein unbefriedigendes Dasein, das nur punktuell erhellt wird in Form von Schäferstündchen mit Lama. Die schöne und selbstbewusste Frau unterstützt den Mittellosen in seiner stillen Systemkritik und bietet mit ihrer Wohnung Rückzug vor dem Getöse der diktatorisch geführten Welt draußen.
Eine dramatische Wende erfährt das auf Regimebeobachtung und Liebesflucht basierende Leben Fathis mit der neuen Beziehung seiner verwitweten Mutter. Der von ihr finanziell ausgehaltene Sohn muss nicht nur mit ansehen, wie ein hochrangiger Militär an die Stelle des verstorbenen Vaters tritt – er gerät auch zusehends in die Fänge des Systems. Als Fathi im Zuge der 20-Jahr-Feierlichkeiten der Machtergreifung des Großen Führers einen protestierenden Studenten in Schutz zu nehmen versucht, wird sein Personalausweis eingezogen. Der Aufforderung, diesen „am Revier“ abholen zu kommen, geht eine seitens der Diktatur geplante Intrige voraus. Fathi erfährt bald am eigenen Leib, was es bedeutet, vom System als Regimekritiker behandelt zu werden.
Innere Emigration
Angesichts von Nihad Siris’ realem Lebensweg scheint die Frage berechtigt, in wieweit das bereits 2004 erschienene Buch, das im Original den Titel Aṣ-ṣamt wa-ṣ-ṣaḫab (arab. „Die Stille und der Lärm“) trägt, autobiographisch gelesen werden kann. Denn um innere Emigration weiß Siris, der während seines Studiums der Ingenieurwissenschaften im bulgarischen Sofia lebte, nur zu gut. Zudem teilte er als syrischer Autor mit vielen seiner heimischen Kolleginnen und Kollegen das Schicksal eines so genannten working poor. Obwohl der heute 62-jährige bereits seit den späten 1980ern zahlreiche Hörspiele, Theaterstücke und Drehbücher verfasste, brachte ihm seine schriftstellerische Tätigkeit so gut wie keinen finanziellen Mehrwert. Schreiben war für den heute in Kairo lebenden Autor über Jahrzehnte hindurch mehr Liebhaberei denn lebenserhaltend. „Auch ich habe einen Brotberuf erlernt. In Syrien kann so gut wie kein Autor vom Schreiben leben“, verrät Siris anschließend an die Vorstellung seines Buches in Graz und weist damit unverkennbar Parallelen zum Protagonisten in Ali Hassans Intrige auf.
Detail und Persiflage
Mehr jedoch als autobiographisch sein zu wollen, stellt das Buch den Anspruch, totalitär geführte Staaten mittels Persiflage als Diktaturen zu entlarven. „Es ist merkwürdig. In meinem Land müssen die Losungen gereimt sein … Jeder Phase ihre Losung – aber gedichtet muss sie sein“, hält Fathi im Roman auf der Kundgebung zu Ehren des Despoten fest. Mehr noch als die detailgetreuen Alltags-Beschreibungen eines Lebens innerhalb einer Diktatur ist es die Persiflage, die den von Regina Karachouli ins Deutsche übersetzten Roman ausmacht. Der dort vorzufindende Sarkasmus erweist sich klar als Systemkritik. Und um dieser gewahr zu werden, muss Ali Hassans Intrige nicht einmal zwischen den Zeilen gelesen werden.
Infos zu Autor und Werk unter:
http://www.nihadsirees.com
Nihad Siris: Ali Hassans Intrige. Basel: Lenos Verlag, 2012. ISBN 978-3-85787-758-2. Kartoniert, 174 Seiten, € 12,90.