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Der tunesische Aufstand flammt erneut auf
21. Dezember 2012 - Imad Garbaya

Seit Wochen werden in verschiedenen Regionen Tunesiens Wasser und Strom willkürlich und ohne Vorwarnung mehrere Stunden pro Tag abgedreht. Eine klare Begründung seitens der Regierung gibt es nicht. Es heißt, der Verbrauch sei gestiegen, ohne dass ersichtlich wäre, wodurch.

Die Ungeduld der Menschen entwickelt sich zu einem Protest, der sowohl von den Gewerkschaften als auch von den jungen RevolutionärInnen getragen wird. Sie glauben nicht mehr an Versprechungen von Demokratie und freien Wahlen, die an amerikanische Bedingungen gebunden sind und die sozialen Kernforderungen der Bewegung längst aufgegeben haben. Stattdessen richten sich die Menschen darauf ein, dass der revolutionäre Veränderungsprozess langfristigen Charakter haben wird.

Die Regierung hat bis jetzt nichts unternommen, um die sozialen Probleme zu lösen oder zu lindern bzw. um neue wirtschaftliche Optionen in Richtung einer größeren Unabhängigkeit von (ausländischen) Investoren und Kapitalmärkten zu eröffnen. Im Gegenteil, was die Regierung bisher unternommen hat, verstärkt die Abhängigkeit oder bereitet lediglich den direkten bzw. über die Golf-Staaten vermittelten Übertritt aus der Einflusssphäre des französischen in jene des amerikanischen Imperialismus vor. Ein Beispiel dafür ist der Verkauf von staatlichem Eigentum (etwa Jagdgebiete im Süden Tunesiens oder der Ölhafen in Skhira) an Qatar.

Die letzten Wasser- und Strom-Protestbewegungen und im Allgemeinen die sozialen Bewegungen in den ärmsten Regionen wurden mit aller Härte niedergeschlagen. Die Polizei nahm mehrere Demonstranten fest.

Am 9. August 2012 begann der Prozess gegen die Demonstranten in Sidi Bouzid. Gleichzeitig wurden die Heckenschützen, die für den Tod vieler Menschen während der Hochphase der Bewegung – von der Bevölkerung als Märtyrer der Revolution angesehen – verantwortlich sind, noch immer nicht identifiziert.
Vor diesem Hintergrund beginnt eine neue Welle des tunesischen Aufstandes gegen die Regierung und gegen die führende Partei Ennahda, die sich jeden Tag mehr zu einer neuen RCD (der Partei von Ben Ali) entwickelt. Hinter einer demokratischen Fassade tritt zunehmend die Treue zum traditionellen System zutage.